Evangelische Antoniterkirche

Erklärt

Ein Meilenstein Protestantischer GEschichte in Köln

Im 13. Jh. lebten auf dem Ge­lände der heutigen Antoniterkirche die sogenannten „Sackbrüder“, ein Bettelorden, der 1274 von Rom aufgelöst wurde. Beim Neubau des AntoniterQuartiers entdeckten wir die Apsis der ehemaligen Sackbrüderkirche, die vor der Südseite der Antoniterkirche im Boden ruht. Ein Fund aus dieser Kirche ist das steinerne Weihwasserbecken, das heute in unserer Kirche steht. Der Antoniterorden übernahm 1298 das Grundstück, auf dem sich heute AntoniterQuartier und Kirche befinden. Die Antoniterkirche wurde etwa ab 1350 errichtet, als dreischiffiger basilikaler Bau ohne Querhaus. Ganz in der Tradition der Bettelorden verzichtete man dabei auf jede Bauzier. Den Kirchturm ersetzt ein kleiner Dachreiter. 1384 wurde die Kirche unter dem Patrozinium des Hl. Antonius geweiht. 1777 wurden alle deutschen Antoniterklöster dem Malteserorden übergeben, ausgenommen jene in Köln und Höchst bei Frankfurt. Sie existierten noch bis zur Säkularisation.

Lange Ausgegrenzt - seit 2020 Jahren im Herzen Kölns

Jahrhundertelang wurden die Protestanten in Köln ausgegrenzt. Im Verborgenen gab es mehrere Gemeinden. Kirchen zu errichten blieb ihnen aber untersagt. Selbst als Kaiser Joseph II. 1788 den Kölner Protestanten das Privileg einräumte, ein „eigenes Beth-, Schul- und Predigerhaus“ zu bauen, verhinderten dies katholische Kräfte. Die Befreiung kam erst mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen 1794. Drei Jahre später erhielten die Kölner Protestanten das volle Bürgerrecht, 1802 das Recht zur freien Kultusausübung. Im gleichen Jahr wurde der erste öffentliche evangelische Gottesdienst im Haus der Brauerzunft in der Schildergasse 96 gefeiert. Daran erinnert dort eine im Straßenpflaster eingelassene Bronzeplatte. Aus den zahlreichen aufgehobenen Kölner Kirchen und Klöstern konnten sich die Evangelischen nun ihr Gotteshaus aussuchen. Sie wählten die Antoniterkirche, die ihnen 1802 mitsamt den angrenzenden ehemaligen Klostergebäuden zugesprochen wurde.

Mit Wallraf zum Evangelischen Gotteshaus

1802-1805 leitete Ferdinand Franz Wallraf den Umbau der ehemaligen Ordenskirche für den protestantischen Gottesdienst. Beachtenswert: Ein katholischer Gelehrter und Priester plante diesen Umbau – im Geiste der Aufklärung und der religiösen Toleranz.

Im Zuge des Umbaus unter Wallrafs Leitung wurde u.a. der spitze Helm des gotischen Dachreiters durch einen klassizisti­schen runden Abschluss ersetzt (später wieder gotisch ausgeführt). Im Inneren war das Mittelschiff bis dahin deutlich von den beiden Seitenschiffen getrennt. Wo heute jeweils zwei raumgreifende weite Rundbögen das Mit­telschiff zu den Seitenschiffen hin öffnen, befand sich ursprünglich eine raumtrennende Arkade von jeweils vier engen gotischen Spitzbögen. Wallraf hob diese Trennung auf, indem er von den drei Bündelpfeilern seitlich des Mittelschiffs jeweils zwei entfernen ließ. Nur die mittleren Pfeiler wurden beibehalten. Von diesen führte er nach vorne und hinten große Rundbögen aus. Grund für diese Neuordnung war die Einbringung von Emporen, damit die vielen Gottesdienstbesucher in der eher kleinen Antoniterkirche ausreichend Platz fanden. Sie erhielten jetzt von allen Seiten einen freien Blick auf den neuen Kanzelaltar.

Das gesamte Interieur und die Eichenholzmöblierung waren geprägt vom Klassizismus und Empire. Im Chor befand sich ein kleines Chorgestühl. Den Altar in der Mitte umschloss von beiden Seiten eine ausladende Treppe, die in einem Bogen zur beherr­schenden Kanzel mit mächtigem Schalldeckel führte. Am Sonntag Rogate, dem 19. Mai 1805, feierten die evangelischen Gemeinden reformierter und lutherischer Prägung in Köln hier ihren ersten freien Gottesdienst in der eigenen Kirche. Im Beisein der städtischen Honoratioren wurde das Gotteshaus eingeweiht. Wallraf organisierte dazu ein Fest- und Musikprogramm, zusammen mit seinem Freund Christian Gottlieb Bruch (1771-1836), dem ersten lutherischen Pfarrer der Antoniterkirche. Gemeinsam mit seinem reformierten Amtsbruder Johann Friedlieb Wilsing (1774-1824) bemühte sich dieser um ein gutes Miteinander der unterschiedlich geprägten Gemeinden. Pfarrer Bruch betrachtete die Spaltung der evangelischen Konfessionen als unhaltbar und setzte sich nachdrücklich für deren Vereinigung ein. 1826 beging man in Köln feierlich die Union der beiden evangelischen Konfessionen.

Mit Weitsicht und Offenheit

So bewies die evangelische Gemeinde an der Antoniterkirche schon vor über 200 Jahren eine große Offenheit und Weitsicht. Mit den Worten von Pfarrer Bruch sollte die Gemeinschaft der Protestanten „eine Vereinigung der Liebe, nicht des Wortes […], sondern des Herzens, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes“ sein. Dieser Geist prägte über die Jahrzehnte das Leben unserer Gemeinde – bis heute. Die Antoniterkirche zeigt damit, wie Gebäude und Menschen sich dem historischen Wandel anpassen und dennoch ihrer Geschichte verbunden bleiben können.

Ihr Markus Herzberg