Kleider machen Leute?

Erklärt

GOTTESDIENST VERSTEHEN UND ERLEBEN​

Für viele evangelische Christinnen und Christen ist der schwarze Talar etwas zutiefst evangelisches, er gehört für sie zur prägenden Identität der Evangelischen Kirche. Dies ist sicher auch ein Stück Gewohnheit, da die meisten von uns den Pfarrer oder die Pfarrerin von Kindesbeinen an im schwarzen Talar erlebt haben.

Auch Martin Luther trägt auf vielen historischen Darstellungen den Talar, so dass man meinen könnte, der Reformator selbst habe immer Talar getragen und alle anderen Gewänder abgeschafft.
Doch das ist weit gefehlt, denn der Talar wurde erst 1811 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen für evangelische und jüdische Geistliche, Richter und andere königliche Beamte eingeführt. In der Reformationszeit sind die Messgewänder im Bereich der lutherischen Kirchen häufig in Gebrauch geblieben. Martin Luther rechnete sie zu den „Adiaphora“. Damit sind „Nebensächlichkeiten“ gemeint, die nicht heilsnotwendig sind, aber auch nicht schädlich. Luther selbst trug zu den Abendmahlsfeiern noch Messgewänder und einzig zur Predigt den schwarzen Rock der damaligen Universitätsprofessoren der Theologie.

In der Evangelischen Kirche im Rheinland erlaubt die sogenannte Amtstrachtverordnung drei Kleidungsvarianten: den schwarzen Talar mit weißem Beffchen (lat. biffa, „Halsbinde“), den schwarzen Talar mit Stola oder die weiße Albe mit der Stola in der Farbe des Kirchenjahres. Die Albe (lat. alba, „die Weiße“) ist ein aus dem antiken Gewand der Römer hervorgegangenes, knöchellanges Gewand aus weißem oder heute auch naturfarbenem Leinen. Mit Bezug auf die Ursprünge der Kirche und ihre Tradition symbolisiert die Albe das Taufgewand. Deshalb können an der Antoniterkirche auch alle an der Liturgie Mitwirkenden, wenn sie möchten, eine Albe tragen. Dieser Brauch verweist auf Luthers Lehre vom Priestertum aller Getauften.

Für mich persönlich unterstreicht das Tragen der Albe die Verkündigung der Frohen Botschaft und die damit verbundene Freude am Glauben. So wird die Festlichkeit eines jeden Gottesdienstes bekräftigt und findet sichtbaren Ausdruck. Albe und Talar als Zeichen trennender konfessioneller Identität zu sehen, ist demnach zu kurz gedacht, zumal die meisten Kirchen in der weltweiten Ökumene außerhalb Deutschlands den Talar in dieser Form gar nicht kennen.

Wie man es mit den Gewändern hält, darüber muss und darf in unserer Kirche jede Gemeinde für sich nachdenken und zu einem eigenen Ergebnis kommen. Letztendlich sollte aber nicht der Stoff das Entscheidende sein, sondern die Frage, mit welcher Strahlkraft und Freude wir heute Gottesdienst feiern. In diesem Sinne hoffe ich, mit diesen Gedanken ein wenig Licht ins Dunkel der Kleiderfrage gebracht zu haben!

Ihr Pfarrer Markus Herzberg